"Ach ja, das, was man nicht kann, das ist die Kunst."

Neue Bücher

In dieser Rubrik finden Sie Ankündigungen zu aktuellen Monografien und Sammelbänden zu Thomas Mann und zur Familie Mann.
Vorschläge senden Sie gerne an unsere Geschäftsführerin Imke Jelen (imke.jelen@thomas-mann-gesellschaft.de).

2024

Martina Schönbächler: Splitterpoetologie. Thomas Manns Gerda-Komplex zwischen Bibliothek, Frühwerk und "Joseph in Ägypten"
Die Studie untersucht Thomas Manns reale und virtuelle Bibliothek sowie die Lesespuren, die darin zu finden sind, und stellt sie Manns Gesamttext gegenüber.
Was ist eine Autor:innenbibliothek und wie lässt sich mit ihr literaturwissenschaftlich arbeiten? In welchem Verhältnis zeigen sich in einem Romantext wie Thomas Manns »Joseph in Ägypten« (1936) die in seiner Nachlassbibliothek physisch erhaltenen, die bloß sekundär belegbaren und die nichterhaltenen Lektüren des Autors? Wie fügen sich daraus Textmotive und Bedeutungssplitter zu einem narrativen Muster zusammen, und wie verändert sich dieses von Text zu Text? Schönbächlers Studie geht solchen Fragen anhand eines Motivkomplexes nach, der in Thomas Manns Frühwerk Gestalt annimmt und der im dritten Band der »Joseph«-Tetralogie einen bedeutsamen Wandel durchläuft: Erstmals widerfährt einer Frauenfigur die Mann`sche ›Heimsuchung‹ von der eigenen Leidenschaft. Geschlecht wird so zum Vehikel, das in der Zeit des deutschen Faschismus eine Ehrenrettung früherer Vorstellungen von Deutsch- und Künstlertum erlaubt. Schönbächlers intertextuell-poetologische Perspektive macht einerseits die Durchlässigkeit zwischen Bibliothek und Werk sichtbar und andererseits deren Diskurspoetologie.

Göttingen: Wallstein 2024

2023

Nikolai Blaumer und Benno Herz (Hg.): Das Thomas Mann House. Politischer Denkort am Pazifik
Der Band lädt Leserinnen und Leser ein auf einen Rundgang durch den Exilwohnsitz der Familie Mann in Los Angeles, heute ein transatlantischer Debattenort der Bundesrepublik Deutschland.
Beiträge namhafter Autorinnen und Autoren aus Literatur-, Geisteswissenschaften und Publizistik berichten vom politischen Leben der Manns in den USA und reflektieren drängende Fragen unserer Zeit. Inspiriert von den konkreten Räumen des im modernistischen Stil erbauten Hauses wird etwa die Auffahrt des Grundstücks zum Symbol für den Weg der Familie Mann nach Kalifornien – sowie für die Exilgemeinde im heutigen Los Angeles. Weitere Räume wie das Arbeitszimmer, die Küche oder der Garten bilden den Ausgangspunkt für sowohl historische Betrachtungen als auch für Überlegungen zu Gleichberechtigung, Überwindung von Rassismus, Klimawandel und anderen Themen der Gegenwart.
Neben zahlreichen historischen Fotos ist das Buch mit exklusiven aktuellen Aufnahmen des renommierten Architekturfotografen Jean Molitor bebildert. So macht der Band einen Ort erfahrbar, dessen kulturelles, politisches und architektonisches Erbe bis heute seine Wirkung entfaltet.

Göttingen: Wallstein 2023

 

Dirk Heißerer (Hg.):
Wolfgang Born. "Wo Sie sind, ist Deutschland!" Biographie. Briefwechsel mit Thomas Mann
Texte. Bilder. Bibliographie
Dr. Wolfgang Born (1893-1949), Halbbruder des Physikers und Nobelpreisträgers Max Born, war als Künstler, Kunsthistoriker und Kunstkritiker in München und Wien tätig, bevor er 1937 als Kunstdozent nach Amerika emigrierte. Der Briefwechsel mit Thomas Mann dreht sich um eine bislang unbekannte frühe Serie von Aquarellen (1916) als Vorläufer der Lithographienmappe Der Tod in Venedig (1921), zu der Thomas Mann einen Brief beisteuerte, und setzt sich im jeweiligen Exil fort. Höhepunkt ist Borns Zuruf 1936, Deutschland sei dort, wo Thomas Mann sei. Thomas Manns berühmte Sentenz „Where I am, there is Germany“ („Wo ich bin, ist Deutschland“), die seine Ankunft in Amerika 1938 akzentuiert, ist somit ein aus deutsch-jüdischer Kulturtradition kommender Aufruf zum Widerstand gegen das NS-Regime in Deutschland.
Nach einem Studium der Kunst (an der Münchner Akademie) und Kunstgeschichte (bei Heinrich Wölfflin) porträtierte Born in den Zwanziger Jahren zahlreiche Größen seiner Zeit, neben Heinrich und Thomas Mann u.a. Albert Einstein, Sigmund Freud, Alfred Kerr und Richard Strauß. In Wien promovierte Born bei Josef Stryzgowski und versuchte 1933, Oskar Kokoschka als Illustrator für Thomas Manns Joseph-Roman Die Geschichten Jaakobs zu gewinnen. Zahllose Artikel in Kunstzeitschriften und Wiener Tageszeitungen werden erstmals ebenso bibliographisch erfasst wie die vielen in Amerika entstandenen Artikel zur Kunst. Seiner dortigen prekären Lebenssituation trotzte Born zwei Standardwerke ab, Still-life Painting in America. (1947) und American Landscape Painting (1948). Den Auftrag Oskar Kokoschkas vom Februar 1949, Born solle das maßgebliche Buch über seine Graphik schreiben, vereitelte Borns plötzlicher Tod im Juni 1949. Der Nachlass Wolfgang Borns befindet sich seit 2014 in der Bayerischen Staatsbibliothek München.

Würzburg: Königshausen & Neumann 2023

 

Christian Neumann:
Das Opfer der Lebendigkeit
Devitalisierung und Melancholie im Erzählwerk Theodor Storms, Thomas Manns und Franz Kafkas
Aus welchen Gründen opfern viele Protagonisten der Erzähltexte Storms, Thomas Manns und Kafkas ihre eigene Lebendigkeit und devitalisieren dabei noch zusätzlich ihre Liebesobjekte? In durch kurze Inhaltsangaben eingeleiteten und durch ihre Textnähe gut nachvollziehbaren Einzelanalysen von fünfzehn bekannten Werken der drei Autoren geht Neumann dieser Frage aus einer doppelten Perspektive nach, indem er psychoanalytische Interpretationsmethoden mit historischen und soziologischen Kontextualisierungen verknüpft. So entsteht ein Gesamtbild, das die literarischen Gestaltungen der Devitalisierung bürgerlicher Menschen im Laufe von hundert Jahren mitteleuropäischer Moderne umfasst, und zwar von der 1848 erschienenen ersten Novelle Storms Marthe und ihre Uhr bis zur Vollendung von Thomas Manns Romans Doktor Faustus im Jahre 1947. Es wird deutlich, durch welche Mechanismen psychischer und sozialer Melancholie Männer und Frauen des deutschen Bürgertums soziale Machtstrukturen verinnerlicht haben, die mit seelischer Verarmung einhergingen und ein selbstbestimmtes, gelungenes Leben im Erwachsenenalter unmöglich machten. Der für das deutsche Bürgertum des 19. Jahrhunderts spezifische Rückzug in die Innerlichkeit und die Akzeptanz seiner politischen Ohnmacht führten schließlich, wie Thomas Manns Exilromane zeigen, bis in die Katastrophe des Nationalsozialismus.

Würzburg: Königshausen & Neumann 2023

 

Barbara Beßlich:
Der Biograph des Komponisten
Unzuverlässiges Erzählen in Thomas Manns Roman Doktor Faustus (1947)
Thomas Manns Roman Doktor Faustus schildert Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn, erzählt von einem Freunde. Dieser Freund ist der Latein- und Geschichtslehrer Serenus Zeitblom, der sich in vielerlei Hinsicht als ein unzuverlässiger Erzähler entpuppt.
Vorliegende narratologische Studie untersucht die unterschiedlichen Facetten dieses unzuverlässigen Erzählens, beleuchtet Zeitbloms politische Haltung und problematisiert den Realitätsstatus des Teuflischen in der erzählten Welt. Es wird diskutiert, ob Zeitblom eine Biographie oder einen Roman über Leverkühn schreibt, und gefragt, in welchem Verhältnis die literarische Leitmotivik zum unzuverlässigen Erzählen steht. Dabei interessiert sich die Studie dafür, was Zeitblom missversteht und was er bewusst verfälschend darstellt. Um was für einen Text es sich bei dem von Leverkühn verfassten Teufelsgespräch eigentlich handelt, wird ebenso analysiert wie die Verfahren, mit denen Zeitblom Leverkühns Musik erzählend politisiert.

  Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2023

 

Volker Weidermann:
Mann vom Meer
Das Meer war für Thomas Mann sein Leben lang der Ort der Sehnsucht und des verheißungsvollen Sogs in die Tiefe. Deutsche Romantik und Todessehnsucht - hier erfäht er Befreiung von den Konventionen, den Zwängen des bürgerlichen Lebens.
Vielleicht fängt alles dort an, wo seine Mutter das Glück der Kindheit erlebt: im brasilianischen Urwald, in einem großen, hellen Haus am Meer. Mit sieben kommt sie nach Travemünde, in die deutsche dunkle Kälte, mit einer Sehnsucht, die bleibt. Ihr Sohn Thomas wächst an der Ostsee auf, in Lübeck, aber sobald er kann, geht er in den Süden, reist nach Italien, ans Mittelmeer, verliebt sich in junge Männer, folgt aber den Konventionen der Zeit und heiratet Katia. Jahre später: Der Gang ins Exil. In Kalifornien, am Pazifik, wird er noch einmal ein anderer: Er kämpft gegen Hitler, für die Demokratie, für die Freiheit und nimmt die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Nach seinem Tod lebt seine Lieblingstochter Elisabeth sein Vermächtnis als weltweit gefeierte Meeresforscherin in ihrer utopischen ozeanischen Politik fort.
Volker Weidermann schreibt mit Leichtigkeit und Humor, mit Wärme und großer Klarheit über den Nobelpreisträger, über seine Sehnsucht und seine Lieben. Sein Buch ist die Geschichte eines deutschen Jahrhunderts, es ist die Biografie eines großen Schriftstellers und seiner Familie, vor allem aber ist es ein Roman über das Dunkle, Glänzende, Bedrohliche, Verlockende, Befreiende – über Thomas Mann und das Meer.

Köln: Kiepenheuer & Witsch 2023

 

Funkenflug. Erika und Klaus Mann-Preis 2023. Kurzgeschichten junger Autor:innen
Dieser Band versammelt die neun besten Geschichten des diesjährigen Erika und Klaus Mann-Preises. Die jungen Autorinnen und Autoren haben sich dabei mit einem breiten Spektrum an Themen beschäftigt. Sie nehmen uns mit in die sterile Kälte einer psychiatrischen Station, führen uns zu der beklemmenden Szenerie einer Bücherverbrennung und lassen uns die verpasste Liebeserklärung zweier Jugendlicher mit Trans-Identität miterleben.

Hamburg: Osburg 2023

Alois Wierlacher (Hg.):
Das Kulturthema Essen bei Thomas Mann
Problemfelder und Bedeutungen
Der vorliegende Band präsentiert disziplinäre und transdisziplinäre Annäherungen an die Kulinaristik Thomas Manns. Versammelt sind Beiträge aus der Sicht der Kulturthematik, der immanenten Kritik, der Medizingeschichte, der Ernährungenswissenschaft, der regionalen Kulturforschung, der literarischen Wirtschaftsanthropologie und der Ritualforschung. Gegliedert ist das Buch iin drei unterschiedlich dimensionierte Teile und eine Forschungsbibliographie (Auswahlbibliographie). Es knüpft an den Grundlagenband "Kulturthema Essen" (1993) und die Theorie der Kulinaristik an.

Würzburg: Königshausen & Neumann 2023

 

Hanjo Kesting:
Thomas Mann. Glanz und Qual
Hanjo Kestings Buch ist das Resultat einer lebenslangen Beschäftigung mit Thomas Mann in Nähe und Distanz. In Werkanalysen und biographischen Annäherungen entsteht ein Gesamtbild des großen Schriftstellers, der seine Lebensbilanz im Tagebuch mit den Worten zog: "Es gab wohl selten ein solches Ineinander von Qual und Glanz."
Thomas Mann war ein Schriftsteller von feinster Empfindlichkeit, mit lauernden Abgründen, tief verwurzelt in deutscher Kultur. Den Katastrophen seiner Zeit hat er sich unerschrocken ausgesetzt, auch wenn es ein weiter Weg war von der "machtgeschützten Innerlichkeit" des Kaiserreichs, die er verherrlichte, bis zum Kampf gegen Hitler und das nationalsozialistische Deutschland, den er unermüdlich führte. In fast sechs Jahrzehnten wuchs sein riesiges literarisches Werk, einzigartig nach Umfang und geistiger Spannweite. Seine Sprache besetzt alle Nischen und Winkel der benennbaren Welt, macht sie erzählerisch verfügbar in virtuoser Demonstration ihrer Allmacht. Und seine Ironie, nicht frei von Herablassung, lässt jederzeit die Präsenz des Erzählers spüren, der uns seinen Willen aufzwingt, indem er uns verführt und verzaubert.

Göttingen: Wallstein 2023

 

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